Südlich vom Ichstedter Schloss befindet sich eine Kalkschlotte, die sich vom Schlossgarten aus in den Berg zieht und in dem großen Eisloch endet. Dort haust die Eisfrau. Nur Sonntagskinder können sie erblicken. Ihr Antlitz ist bleich, das Haar silberfarben und das lange Gewand schlohweiß. In tiefem Schweigen wandelt sie umher und nur das Klirren des Schlüsselbundes an ihrem Gürtel verkündet ihr Nahen. Um Mitternacht zeigt sie sich in der Nähe des Eisloches auf dem Weg zum Schloss, dass sie aber nicht betritt. Ein silbergrauer Hase leistet der Eisfrau Gesellschaft. Oft hat man ihn verfolgt, aber er entkam immer ins Eisloch, wo ihn seine Herrin beschützte. Die Eisfrau hat aber auch am Tage die Gewalt, anzuziehen oder abzuwehren. Keine hundert Jahre sind vergangen, da wollte ein Knecht am Eisloch vorübergehen. Unweigerlich zog es ihn aber zu dem Loch. Erschrocken dachte er an die Eisfrau und mühte sich, zu entkommen. Doch eine unsichtbare Hand schob ihn vorwärts, bis er ins Eisloch stürzte. Er brach einen Arm, konnte aber durch Feldarbeiter, die ihn stürzen sahen, gerettet werden.
Nur selten straft die Eisfrau. Vielmehr ist sie die Beschützerin des Dorfes. Nordöstlich vom Eisloch befindet sich das Gründlingsloch - ein mit Wasser gefüllter Erdfall. Die Ichstedter meinen, dass dieses an die 200 Fuß (ca. 60 m) tiefe Loch der Brunnen sei, den die Eisfrau für sich selbst gegraben hat. Bei starken Niederschlägen nimmt es gewaltige Mengen Wasser auf und führt es schnell unterirdisch fort. Damit wird das Dorf vor Überschwemmungen geschützt.
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