Musikfeste

 

Mitte des 18. Jahrhunderts bildeten sich neben der höfischen Musikkultur auch zahlreiche musikalische Gruppierungen aus Organisten, Kantoren und musikbegeisterten Menschen, die – auch in ländlichen Gebieten – regelmäßig gesellige musikalische Ereignisse veranstalteten. So entwickelte sich im Winterhalbjahr 1764/65 auch in Frankenhausen ein „Collegium musicum“ („freie Vereinigung von Musizierenden“). Kern dieser Vereinigung bildeten Musiker wie der damalige Kantor und Bachschüler Johann Wilhelm Cunis (1725-1796), der Organist Johann Gottlieb Wagner, dessen Sohn und der Stadtmusikus Graf. Diese Vereinigung bestand mit wechselnden Mittwirkenden über mehrere Jahrzehnte und organisierte regelmäßige Konzerte in der Stadt und hatte auch Auftritte vor den Adligen des Rudolstädter Hofes, da Frankenhausen Zentralort der schwarzburgisch-rudolstädtischen Unterherrschaft war.
Zwischen 1799 und 1802 führte die „Concert-Direction“ die Tradition des vorherigen „Collegium musicum“ fort.

Im Sommer 1802 erhielt der aus Ellrich stammende Georg Friedrich Bischoff (21.09.1780-07.09.1841) die Stelle als Kantor und Lehrer am Lyzeum der Stadt Frankenhausen. Um das Musikbewusstsein in der Stadt wieder zu wecken, war eine seiner ersten Maßnahmen die Einführung öffentlicher klassischer Konzerte, die bis 1816 mit wenigen Ausnahmen alle 14 Tage abgehalten wurden. Im Winter fanden diese Konzerte im Rathaussaal und im Sommer in verschiedenen Gärten der Frankenhäuser Bürger statt. Dabei wurde er vom Stadtmusikus Gottlob August Löscher (1752-1825) unterstützt.

Am 19.05.1804 kündigte Bischoff die Aufführung der „Schöpfung“ von Joseph Haydn an. Als Termin wurde der 13. Juni 1804 festgelegt. Die Aufführung sollte in der Unterkirche Frankenhausen erfolgen. Für diese Aufführung luden Bischoff und Löscher ein Orchester ein, das aus 106 Personen bestand. Die Musiker kamen aus Erfurt, Gotha, Nordhausen, Quedlinburg, Sangerhausen, Sondershausen u.a. Orten. Allerdings kann diese künstlerisch und finanziell erfolgreiche Aufführung nicht als Musikfest bezeichnet werden, da die Veranstaltung an nur einem Tag stattfand.
In der Folgezeit veranstaltete Bischoff weitere Konzerte und errichtete eine musikalische Leihbibliothek.
Angespornt durch die zahlreichen und erfolgreichen Konzerte plante er ein größeres Ereignis, das die vorherigen Aufführungen übertreffen sollte.

Vor allem durch die Niederlage Preußes in der Schlacht von Jena und Auerstedt am 14.10.1806 musste Frankenhausen hohe Kontributionen zahlen, die zu einer Verschuldung und zu Bevölkerungsverlusten führte. Eine Umsetzung größerer Musikereignisse war deshalb vorerst nicht möglich.

 

Das erste deutsche Musikfest 19. - 21. Juni 1810 in Frankenhausen

 

Mit der Besserung der politischen Situation wendete sich Bischoff 1810 erfolgreich mit der Bitte um Unterstützung an die Landesmutter Fürstin Karoline von Schwarzburg-Rudolstadt. Mit dieser positiven Entwicklung konnte er bereits im Mai 1810 per Zeitungsartikel auf sein geplantes großes Musikereignis aufmerksam machen und Einladungen verteilen, um möglichst viele Mitwirkende und Zuschauer anzuwerben.
Wieder konnte er auf ein Orchester aus 106 Musikern zurückgreifen, dessen Musiker teilweise aus Hofkapellen der thüringischen Residenzen Weimar, Gotha und Rudolstadt, aber auch u.a. aus Quedlinburg, Leipzig und Ballenstedt kamen.
Der von Bischoff dirigierte Chor bestand aus 96 Mitwirkenden u.a. aus Sondershausen, Nordhausen, Querfurt, Erfurt, Weimar, Greußen, Sangerhausen, Ellrich, Halberstadt, Tennstedt und Stolberg.
Während die Instrumentalisten in Privathäusern übernachteten, fanden die Choristen in den Gasthöfen der Stadt Unterkunft und Verpflegung.

Am 19.06.1810 fand vormittags eine Gesamtprobe in der Unterkirche in Frankenhausen statt. Am Folgetag um 15:00 Uhr begann das erste deutsche Musikfest in der Unterkirche mit dem Oratorium „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn. Während Bischoff den Chor leitete, dirigierte Spohr das Orchester. Das Programm des ersten Tages endete 18:00 Uhr. Die Zuschauer in der völlig gefüllten Kirche waren beeindruckt von der hohen Qualität der Darbietung.
 

Unterkirche Bad Frankenhausen
Unterkirche Bad Frankenhausen -
Veranstaltungsort der ersten deutschen Musikfeste
Gedenktafel zu den ersten deutschen Musikfesten
Gedenktafel an der Unterkirche
zu den ersten deutschen Musikfesten


Das Programm des 2. Tages, dem 21.Juni 1810 von 9:00-12:00 Uhr, umfasste eine große, neue Ouvertüre fürs ganze Orchester von Spohr, eine große italienische Szene für den Bass von Vincenzo Righini, ein von Spohr für dieses Fest geschriebenes Klarinettenkonzert, ein Orgelpräludium sowie der Schlusschor aus Haydns Jahreszeiten. /43/
Nach einer Pause folgte ein Doppelkonzert für zwei Violinen von Spohr und ein großes Rondo aus dem Konzert in D-Dur von Bernhard Romberg. Mit einer Sinfonie C-Dur von Beethoven endete im Anschluss das erste deutsche Musikfest.

 

Nachfolgende Musikfeste

 

Publikum und Musiker wünschten sich eine Wiederholung einer solchen Veranstaltung. Bischoff schätzte zwar die Begeisterung und Anerkennung, zweifelte allerdings wegen der entstandenen 2000 Taler Unkosten an der Durchsetzung eines zweiten Musikfestes. Trotzdem begann er im Frühjahr 1811 mit der Organisation eines zweiten Festes. Im Gegensatz zum Vorjahr erhöhte sich sogar die Anzahl der Musiker auf 240, darunter 120 Instrumentalisten, 114 Choristen und 6 Solisten.

Dieses zweite deutsche Musikfest begann am 10.07.1811 um 15 Uhr mit dem „Frühling“ und „Sommer“ aus Haydns vier Jahreszeiten. Anschließend wurde der 3. Abschnitt „Die Auferstehung“ von Händels Messias aufgeführt und zum Abschluss das große „Halleluja“. Pausen überbrückte Bischoffs Bruder Karl auf dem damals neu erfundenen Uranion.  
Am zweiten Tag, dem 11. Jul 1811, ertönte von 10 bis 13.00 Uhr ein großes Instrumental- und Vokalkonzert mit einer Sinfonie von Spohr, eine Arie von Vernando Paer, ein Oboen-Konzert von Friedrich-Eugen Thurner, ein Violinen-Konzert von Spohr sowie die Hymne „Gottheit dir sei Preis und Ehre“ von Mozart. /43/

Auch dieses Musikfest kam bei Publikum und Musikern sehr gut an, weshalb Bischoff dazu veranlasst wurde, zu Ehren Napoleons zwei Musikfeste in Erfurt zu veranstalten (1811 und 1812).

1815 fand das letzte Musikfest unter Bischoffs Leitung in Frankenhausen statt. Dazu aufgerufen hatte Carl Maria von Weber. Dieses Musikfest sollte im Zeichen der vollendeten Befreiung von napoleonischer Fremdherrschaft stehen und wurde von Bischoff im Allgemeinen Anzeiger der Deutschen, Jg. 1815 Nr. 235 (8.September) angekündigt als „Deutsche Siegesfeier der Tonkunst zu Frankenhausen in Thüringen, am Schluß der Gedächtnistage der großen Völkerschlacht, den 19 und 20 October 1815“. Über 300 Instrumentalisten und Choristen sagten ihre Teilnahme für dieses Musikfest zu.

Am ersten Tag begann das Programm 14.00 Uhr mit Spohrs Kantate „Das befreite Deutschland“. Anschließend wurde „Te Deum“ von Gottfried Weber aufgeführt. Am zweiten Tag kamen ab 10:00 Uhr Mozarts C-Dur Sinfonie, ein von Spohr vorgetragenes Violinkonzert in e-Moll, eine italienische Arie von Paer und Klarinettenvariationen von Spohr zur Aufführung.  

Zum Abschluss erklang „Der Patriotische Gesang zum 10. Oktober“ für  Chor und Orchester, gesungen und gespielt von über 1000 Menschen zur Melodie von „Heil Dir im Siegerkranz“.

Dieses dritte Musikfest in Frankenhausen wurde jedoch trotz großer Begeisterung der Musikliebhaber ein finanzieller Misserfolg, da für dieses Fest nur Berufsmusiker verpflichtet wurden, die teuer waren und für die Kost und Logis gezahlt werden musste. Zudem blieben viele Besucher aus, da sie von aus Frankreich heimkehrenden und durchziehenden russischen Soldaten von einem Besuch der Veranstaltungen abgehalten wurden. Alle beteiligten Musiker verzichteten daraufhin auf Bitten Spohrs auf die Erstattung ihrer entstandenen Reisekosten, was zu einer finanziellen Entlastung Bischoffs beitrug.

In der Folge verließ Kantor Bischoff Frankenhausen und ging nach Hildesheim. Durch seine Tätigkeit in Frankenhausen wurde die Idee nationaler musikalischer Großveranstaltungen nach und nach in ganz Deutschland bekannt und führte zu weiteren Musikfesten wie in Ballenstedt (z.B. das Dritte Anhaltinische Musikfest unter der musikalischen Leitung von Franz Liszt), von Bischoff organisierte Musikfeste in z.B. Hildesheim, Magdeburg oder Halle oder die von Richard Wagner ursprünglich für Weimar geplanten, dann aber in Bayreuth durchgeführten Festspiele.

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