Kyffhäuser-Kleinbahn

 

Mit dem Bau der Eisenbahnhauptstrecken lag es nahe, die abseits der Strecken liegenden Gebiete durch kleinere Bahnstrecken, den sog. Kleinbahnen oder Nebenbahnen, an die Hauptstrecken anzuschließen.
Das preußische Kleinbahngesetz vom 28.07.1892 unterstrich, dass der Bau von Kleinbahnstrecken Länder- und nicht Reichssache war und damit die Länder selbst die Kompetenz zur Errichtung solcher Strecken hatten. Die Finanzierung der Kleinbahnen erfolgte ohnehin vorrangig mit Privatkapital, so dass sich der Staat oft nur auf die zu beachtenden Normen und auf die Aufgabe, den Verkehr zu fördern, beschränkte. 
 

Die Kyffhäuser-Kleinbahn unterwegs
Die Kyffhäuser-Kleinbahn unterwegs
Bahnhof Kelbra um 1962
Bahnhof Kelbra um 1962


Erste Pläne zur Errichtung einer Bahnverbindung zur Erschließung der Goldenen Aue gab es bereits nach dem Bau der Hauptstrecke Kassel - Nordhausen - Halle (Eröffnung 1866), die entgegen der Wünsche der Kelbraer und Tilledaer Bürger nicht über Wallhausen, Tilleda und Kelbra nach Nordhausen führte, sondern von Sangerhausen über Berga nach Nordhausen gebaut wurde.

In der Folge wurden verschiedene Projekte für eine Bahnverbindung am Kyffhäuser vorgelegt:
- Die Fa. Rudolf Schulze (Nordhausen) erhielt im August 1894 den Auftrag, die Vorarbeiten zum Bau einer Bahnlinie von Berga über Ichstedt nach Frankenhausen und eine Sekundärbahn von Roßla über Sittendorf nach Tilleda zu erstellen.
- Pläne für den Bau einer Bahnstrecke von Nordhausen über Kelbra - Rothenburg - Kyffhäuser - Frankenhausen kamen auf, bei der die Strecke über den Kyffhäuser als Zahnradbahn ausgeführt werden sollte.
- 1897 bot eine Berliner Firma ein Projekt für eine Strecke von Artern über Tilleda nach Roßla an. Dieses Projekt scheiterte am Protest der Regierung von Schwarzburg-Rudolstadt, durch dessen Gebiet die Streckenführung im Bereich Ichstedt geplant war.
- die Pläne Kelbras aus dem Jahr 1901, eine Bahnstrecke mit eigenem Elektrizitätswerk für eine Elektrolokomotive zu bauen, scheiterte am Streit der Städte und Gemeinden, durch deren Gebiet die Bahn verlaufen sollte.
- 1905 gab es Verhandlungen zur Weiterführung der Kohlebahn Artern über Borxleben - Ichstedt - Tilleda - Kelbra nach Berga. Ziel dieser und späterer Pläne war die Erschließung der Kohlefelder am Kyffhäuser und der Kupfererzgruben am Kyffhäuserwesthang. Auch hier kam es zu keiner Einigung. Die veranschlagten Kosten für die Strecke beliefen sich auf 2 Millionen Reichsmark.
-  1910 wandten sich die Bürgermeister von Artern und Kelbra und die Gemeindevorsteher von Tilleda und Sittendorf im Namen eines - aus Handel- und Gewerbetreibenden bestehenden - Ausschusses an den Landeshauptmann der Provinz Sachsen in Merseburg mit der Bitte um finanzielle Unterstützung des Projektes Kyffhäuser-Kleinbahn. Der Antrag wurde befürwortet, wogegen Frankenhausen 1911 protestierte, da die Stadt durch die Nichtanbindung an die Strecke um ihren Fremdenverkehr besorgt war.

Die Kleinbahnabteilung des Landeshauptmannes der Provinz Sachsen arbeitete auf der Grundlage des befürworteten Antrages einen neuen Plan für die Strecke aus, für die 1.844.000  Reichsmark als Aktienkapital aufgebracht werden mussten. Geplant war eine Streckenlänge über 29,55 km mit der Spurweite 1.435 mm (Normalspur). Der kleinste Bogenhalbmesser sollte 400 m und die größte Steigung 1:80 betragen. Es wurden Vignolschienen auf hölzernen Querschwellen verlegt. Die Strecke verlief vom Bahnhof  Artern Ost über zwei Unstrutbrücken südlich an der Stadt vorbei zum Bahnhof Artern West über Kachstedt - Borxleben - Ichstedt - Hackpfüffel - Tilleda - Sittendorf - Kelbra zum Bahnhof Berga / Kelbra.

Am 06.08.1913 gründete sich die Kyffhäuser-Kleinbahn-Aktiengesellschaft mit Sitz in Kelbra. Baubeginn für die Strecke war im Frühling 1914. Bereits Ende 1914 ging man davon aus, die Teilstrecke Kelbra - Tilleda im Sommer 1915 eröffnen zu können, wenn sich der Verlauf des 1. Weltkrieges nicht nachteilig auf den Bau auswirkt. Tatsächlich waren aber viele einheimische Arbeiter als Soldaten an der Front. Der Einsatz von Kriegsgefangenen (Russen, später auch Franzosen) als Hilfskräfte am Bau konnte den Ausfall der einheimischen Arbeiter nicht ausgleichen.  Im Sommer 1916 war die Strecke zwischen Berga / Kelbra und Hackpfüffel bis auf die Bahnsteige, Ladestraßen und Ausrüstungen fertig gestellt. Auf der Strecke Hackpfüffel - Artern waren die Erdarbeiten zur Hälfte erledigt und die Verlegung der restlichen Gleise war für Januar 1916 geplant.
 

Dampflokomotive 89 6024  (Bj. 1914 Henschel & Sohn; Typ Bismarck)
Dampflokomotive 89 6024  (Bj. 1914 Henschel & Sohn; Typ Bismarck)
bis 24.10.1922 als Nummer 41 im Dienst der Kyffhäuser-Kleinbahn
heute betriebsfähige Dampflok im Deutschen Dampflokomotiv-Museum Neuenmarkt
Foto: Deutsches Dampflokomotiv-Museum Neuenmarkt


Am 10.11.1915 erfolgte die Abnahme der Strecke Berga / Kelbra - Hackpfüffel für den Güterverkehr. Am 30.05.1916 erfolgte die Eröffnung dieser Strecke für den Personenverkehr. Ab 22.10.1916 wurde die Strecke bis Ichstedt befahren und am 23.10.1916 wurde der Güterverkehr (vorrangig Zuckerrüben für die Zuckerfabrik Artern) auf der gesamten Strecke aufgenommen.
Der reguläre Betrieb auf der knapp 30 km langen Strecke der Kyffhäuser-Kleinbahn begann mit der Aufnahme des Personenverkehrs am 21.12.1916. Die durchschnittliche Fahrzeit der ersten Personenzüge auf der Strecke betrug etwa 110 Minuten. Bis zum Jahr 1925 war der Personenverkehr mit den Zuckerrübentransporten gekoppelt: an Personenzüge in Richtung Artern wurden Güterwagen mit Rüben, und in die Gegenrichtung die leeren Waggons angehängt.
Die Goldene Aue erlebte in diesen Jahren durch die Kyffhäuser-Kleinbahn einen ungeahnten Aufschwung: die Landwirtschaft, Waldwirtschaft und die Steinbrüche am Kyffhäuser profitierten von der Kleinbahn, wie auch die Kohlegruben bei Udersleben, Ichstedt und Borxleben. Ebenso nutzte der Tourismus die Kleinbahn, da z. B. Kyffhäuserdenkmal und Rothenburg leichter erreichbar waren.

Nachdem die Nutzung der Kleinbahn zwischen 1930 und 1934 nachließ, wurde am 23.03.1935 auf der Strecke erstmals ein moderner Dieseltriebwagen eingesetzt. Damit konnte die Geschwindigkeit auf der Strecke erhöht und damit die Kyffhäuser-Kleinbahn für den Güter und Personenverkehr wieder attraktiver gestaltet werden.

Am 01.04.1949 erfolgt die Übernahme der Strecke durch die Reichsbahn. Ein unverzüglicher Anschluss der Kleinbahnhöfe in Berga / Kelbra und Artern an die dortigen Reichsbahnhöfe wurde angeordnet.
In den folgenden Jahren wurde die Strecke in dem Zustand genutzt, wie sie war. Erhaltungsmaßnahmen wurden kaum noch durchgeführt, da die Strecke von ihrer Lage und vom Verkehr relativ unbedeutend war.
 

Eine Fahrt mit der Kyffhäuser-Kleinbahn (1962)
Eine Fahrt mit der Kyffhäuser-Kleinbahn
(1962)
Abschiedsgruß vom Schlußwagen (um 1960)
Abschiedsgruß vom Schlußwagen
(um 1960)


Am 05.06.1966 fuhr 11.10 Uhr der letzte Zug von Artern in Richtung Tilleda. Durch die inzwischen marode Strecke waren teilweise nur noch Geschwindigkeiten von 20 km/h zwischen Artern und Berga / Kelbra möglich.

Am 15.03.1967 gab der Verkehrsminister der DDR die Anweisung, die Strecke stillzulegen und die Anlagen abzubauen. Die Bahnhöfe entlang der Strecke wurden zu anderen Verfügungen übergeben.

Heute erinnern nur noch die ehemaligen Kleinbahnhöfe entlang der Strecke und der stellenweise erhaltene Bahndamm an die kurze Blütezeit dieses liebenswerten Kleinods der Verkehrsgeschichte in der Kyffhäuserregion. Teile der ehemaligen Bahnstrecke wurden 2007 / 2008 zu einem Radwanderweg ausgebaut.
 

Die letzte Fahrt der Kyffhäuser-Kleinbahn (05.06.1966)
Die letzte Fahrt der Kyffhäuser-Kleinbahn
(05.06.1966)


Der Storm Reiseführer “Thüringen und das Kyffhäusergebirge” von 1928 beschreibt die Strecke etwa wie folgt /20/:

Die Kyffhäuserbahn (25 km in 1 Std.) verbindet die Bahnlinien Sangerhausen - Nordhausen und Sangerhausen - Erfurt miteinander und verknüpft den Südharz mit dem unteren Unstruttal.
Vom Bhf. Berga - Kelbra wendet sich die Bahnlinie nach Süden und führt durch die Goldene Aue nach Kelbra (4 km), dass im großen Bogen umfahren wird. Es folgt Sittendorf (8 km), von wo aus man den Kyffhäuser-Burgberg in 45 Minuten erreicht (3,5 km). Auch vom nächsten Bahnhof Tilleda (11 km) kann man den Kyffhäuser-Burgberg leicht erreichen. Die Bahn verlässt dann den Gebirgsrand und führt am Hutberg vorbei nach Hackpfüffel (15 km, Dorf mit Rittergut). In der Nähe interessanter Erdfall. Über den mit Kiefern bestandenen Limberg, der im tiefen Einschnitt durchfahren wird, weiter nach Ichstedt (19 km, thüringisches Dorf, von Ichstedt aus lohnende Waldwanderung durch die schöne, im Langen Tal (Steinbrüche) hinaufführende Lindenallee). Die Bahnlinie erreicht Borxleben (20 km, großes Dorf mit mehreren Gütern) und Haltestelle Kachstedt (22 km, zu Artern gehörendes Vorwerk). Kachstedt und Borxleben sind alte Siedlungen aus der Zeit Karls des Großen, 775 als Reichsgüter genannt. Bei Kachstedt das Braunkohlenbergwerk Zuversicht. Weiterhin nach Artern - West (26 km), dann, im großen Bogen südlich die Stadt Artern umfahrend nach Bahnhof Artern (29 km, hübsch gelegene preußische Stadt an der Unstrut, Museum, Saline mit Solbad, Eisenwerke, Landwirtschaft und Gartenbau).


Andere verwendete Bezeichnungen / Schreibweisen für diese Bahnstrecke sind Kyffhäuserkleinbahn und Kyffhäuserbahn, wobei die Bezeichnung “Kyffhäuserbahn” inzwischen auf die Bahnstrecke Bretleben - Bad Frankenhausen - Sondershausen übertragen wurde.


Die historischen Fotos auf dieser Seite wurden bereitgestellt von:
Heimatverein Aratora, Andreas Schmölling, Franz-Schubert-Straße 69, 06556 Artern

Foto Dampflok 89 6024 mit freundlicher Genehmigung Deutsches Dampflokomotiv-Museum Neuenmarkt (externer Link).
Quelle und weiterführende Literatur : /15//20/

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